Vorsteuerkorrektur: Was regelt § 15a UStG?
Der Vorsteuerabzug ist nach dem Umsatzsteuergesetz (UStG) an bestimmte Voraussetzungen geknüpft. Unternehmer können die von anderen Unternehmern in Rechnung gestellte Umsatzsteuer mitunter nur teilweise abziehen. Ändern sich im Nachgang zu einem vorgenommenen Vorsteuerabzug die hierfür maßgebenden Verhältnisse, ist eine Vorsteuerkorrektur erforderlich. Alle relevanten Regelungen hierzu finden sich in § 15a UStG.
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Vorsteuerabzug
In diesem Video gehen wir auf die wichtigsten Grundlagen des Vorsteuerabzugs und mögliche Besonderheiten ein!
Inhaltsverzeichnis
1. Rechtsgrundlage – wann ist eine Vorsteuerkorrektur notwendig?
Nach § 15 Absatz 1b, 2 und 4 UStG ist der Vorsteuerabzug eines Unternehmers, der die Leistung eines anderen Unternehmers empfängt, ganz oder teilweise eingeschränkt. Mit § 15 Absatz 2 Nummer 1 UStG regelt der Gesetzgeber beispielsweise, dass die nach § 4 Nummer 12 Satz 1 Buchstabe a UStG steuerfreie Grundstücksvermietung den Abzug der Vorsteuer auf bezogene Eingangsleistungen ausschließt.
Maßgeblich für die Beurteilung des Vorsteuerabzugs ist die Prognose des Unternehmers im Zeitpunkt des Leistungsbezuges (Abschnitt 15.2c Absatz 12 Satz 1 UStAE). Ändern sich innerhalb des sogenannten Prognosezeitraums von fünf oder zehn Jahren die damals angenommenen oder vorliegenden Verhältnisse, ist nach § 15a Absatz 1 Satz 1 UStG eine sogenannte Vorsteuerkorrektur erforderlich. Der Unternehmer muss den bereits vorgenommenen Vorsteuerabzug also an die tatsächlichen Gegebenheiten anpassen.
Es gelten folgende Prognosezeiträume:
- Fünf Jahre bei sämtlichen Wirtschaftsgütern, die keine Grundstücke oder grundstücksgleichen Rechte sind und die mehr als nur einmal zur Ausführung von Umsätzen genutzt werden (§ 15a Absatz 1 Satz 1 UStG)
- Zehn Jahre bei Grundstücken und grundstücksgleichen Rechten im Sinne des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB; § 15a Absatz 1 Satz 2 UStG)
Ziel des § 15a UStG ist damit, den Vorsteuerabzug entsprechend der tatsächlichen Verwendung innerhalb des fünf- oder zehnjährigen Berichtigungszeitraums anzupassen.
Grundbeispiel: Der Unternehmer hat ein Fahrzeug, das er zu 100 % betrieblich nutzen möchte, gekauft. Nach 2,5 Jahren, also der Hälfte des Berichtigungszeitraums von fünf Jahren, nutzt er es nur noch zu 50 % betrieblich.
Lösung: Die für den Vorsteuerabzug maßgebenden Verhältnisse haben sich im Sinne des § 15a Absatz 1 Satz 2 UStG geändert. Das Wirtschaftsgut, für das 100 % der Vorsteuer abgezogen wurde, wird nun lediglich zu 50 % für unternehmerische Zwecke genutzt. Sobald diese Änderung der Verhältnisse eintritt, ist die Vorsteuer nur noch zu 50 % abziehbar. Der Unternehmer muss eine entsprechende Vorsteuerkorrektur vornehmen.
2. Änderung der Verhältnisse und Ausnahmen von der Anwendung des § 15a UStG
Unter den für die Durchführung der Vorsteuerkorrektur ausschlaggebenden Begriff einer „Änderung der Verhältnisse“ fallen insbesondere Nutzungsänderungen durch den Unternehmer. Maßgeblich dabei ist, dass der Vorsteuerabzug nach der Änderung anders zu beurteilen ist, als er es vor Eintritt der Änderung war.
Dabei gelten als Änderung der Verhältnisse auch die folgenden Vorfälle:
- In einen Gegenstand geht nachträglich ein anderer Gegenstand ein, der hierdurch seine wirtschaftliche Eigenart endgültig verliert (insbesondere der Fall bei Werklieferungen; § 15a Absatz 3 Satz 1 UStG)
- Es fallen nachträgliche Anschaffungs- oder Herstellungskosten für ein Wirtschaftsgut, bei dem eine Änderung der Verhältnisse eintritt, an (§ 15a Absatz 6 UStG)
- Der Unternehmer wechselt zur Kleinunternehmerregelung im Sinne des § 19 UStG oder umgekehrt zur Regelbesteuerung (§ 15a Absatz 7 UStG)
- Das Wirtschaftsgut wird veräußert oder entnommen; die Veräußerung oder Entnahme muss dabei anders zu beurteilen sein als die ursprüngliche Anschaffung (§ 15a Absatz 8 UStG)
Eine Anwendung des § 15a UStG kann unterbleiben, wenn der auf Anschaffung oder Herstellung des Wirtschaftsgutes entfallende Vorsteuerbetrag EUR 1.000 nicht übersteigt (§ 44 Absatz 1 UStDV). Selbiges gilt nach Absatz 2, wenn die Änderung der Verhältnisse im jeweiligen Kalenderjahr eine solche von weniger als 10 % ist.
In den Fällen einer Geschäftsveräußerung im Ganzen (§ 1 Absatz 1a UStG) führt der Rechtsnachfolger die vom Rechtsvorgänger begonnenen Berichtigungszeiträume fort (§ 15a Absatz 10 Satz 1 UStG).
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3. Durchführung der Vorsteuerkorrektur nach § 15a UStG
Die praktische Durchführung einer Vorsteuerkorrektur nach § 15a UStG erfolgt, indem die tatsächliche Nutzung innerhalb des jeweiligen Berichtigungszeitraums mit der ursprünglich geplanten Verwendung des Wirtschaftsgutes verglichen wird. Änderungen der Verhältnisse, die erst nach dem Ende des maßgeblichen Berichtigungszeitraums eintreten, bleiben entsprechend unberücksichtigt. Dies gilt sowohl zugunsten als auch zuungunsten des Unternehmers.
Schauen wir uns drei praktische Beispiele an, um die Vorgehensweise bei der Vorsteuerkorrektur zu verdeutlichen!
3.1. Fall eins: Unternehmer erwirbt ein bebautes Grundstück
Der Unternehmer kauft am 01.01.2023 eine Immobilie mit zwei identisch großen Stockwerken. Er beabsichtigt, das Gebäude ausschließlich für eigene unternehmerische Zwecke zu verwenden. Der Verkäufer optiert nach § 9 Absatz 1 und 2 UStG zur Umsatzsteuer, sodass auf den Kaufpreis von EUR 500.000 noch EUR 95.000 Umsatzsteuer fällig werden. Diese kann der Unternehmer nach § 15 UStG als Vorsteuer abziehen, da die geplante Nutzung zum vollen Vorsteuerabzug berechtigt.
Nach fünf Jahren, am 01.01.2028, entscheidet sich der Unternehmer zur Vermietung des Obergeschosses. Er überlässt es an einen Arzt, der nur steuerfreie Umsätze ausführt (§ 4 Nummer 14 Buchstabe a UStG). Eine Option zur Umsatzsteuerpflicht scheidet nach § 9 Absatz 1 UStG aus.
Es liegt eine Änderung der Verhältnisse vor. Bei der Vorsteuerkorrektur ist für jedes Kalenderjahr von einem Zehntel des ursprünglichen Vorsteuerbetrages (EUR 9.500) auszugehen (§ 15a Absatz 5 Satz 1 UStG). Die konkrete Berichtigung stellt sich nun wie folgt dar:
- In den ersten fünf Jahren des Berichtigungszeitraums wurde das Gebäude wie anfänglich geplant verwendet. Es ist keine Vorsteuerkorrektur vorzunehmen, die Hälfte der Vorsteuer bleibt insoweit abziehbar
- In der zweiten Hälfte des Berichtigungszeitraums, zwischen 01.01.2028 und 01.01.2033, wurde das Gebäude nur noch zu 50 % zu vorsteuerberechtigenden Zwecken verwendet. Entsprechend sind hier lediglich 50 % der Vorsteuerbeträge abziehbar
Der Berichtigungsbetrag ergibt sich aus der Differenz zwischen der Anfangs abgezogenen Vorsteuer (EUR 95.000) und dem tatsächlich abziehbaren Betrag (EUR 71.250). Den Berichtigungsbetrag von EUR 23.750 muss der Unternehmer gleichmäßig über die verbleibenden fünf Jahre des Berichtigungszeitraums an das Finanzamt zurückzahlen; insoweit hat er den Vorsteuerabzug zu Unrecht in Anspruch genommen.
3.2. Fall zwei: Unternehmer lässt Werkleistungen ausführen
Im zweiten Fall ist der Unternehmer ebenfalls im Besitz einer Immobilie. Auch hier tritt nach fünf Jahren eine Änderung der Verhältnisse im Umfang von 50 % ein. Allerdings hat der Unternehmer im zweiten Jahr, also am 01.01.2024, diverse Werkleistungen an der Immobilie vornehmen lassen. Da er hier noch zum vollen Vorsteuerabzug berechtigt war, hat er die vom leistenden Unternehmer in Rechnung gestellte Umsatzsteuer (EUR 3.800) in voller Höhe als Vorsteuer abgezogen.
Auf sonstige Leistungen (hier: Werkleistung) sind die Absätze 1 und 2 entsprechend anzuwenden (§ 15a Absatz 4 Satz 1 UStG). Daher gilt auch für die ausgeführten Leistungen ein Berichtigungszeitraum von 10 Jahren, der am 01.01.2024 beginnt und am 01.01.2034 endet. Die Änderung der Verhältnisse tritt am 01.01.2028 ein.
Für insgesamt vier Jahre konnte der Unternehmer den vollen Vorsteuerabzug beanspruchen. Für die übrigen sechs Jahre ist der Abzug aber auf 50 % der in Rechnung gestellten Umsatzsteuer beschränkt. Es ergibt sich ein Berichtigungsbetrag von EUR 1.140 (EUR 3.800 / 10 Jahre x 6 Jahre x 50 %).
Der Unternehmer muss den so ermittelten Berichtigungsbetrag erst mit der Umsatzsteuer-Jahreserklärung an das Finanzamt überweisen, da er unter EUR 6.000 liegt (§ 44 Absatz 3 Satz 1 UStDV).
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3.3. Fall drei: Vorsteuerkorrektur bei Verkauf des Wirtschaftsgutes
Nach § 15a Absatz 5 Satz 2 UStG ist eine kürzere Verwendungsdauer entsprechend der allgemeinen Grundsätze zur Vorsteuerkorrektur zu berücksichtigen. Ist der Berichtigungszeitraum nach § 15a Absatz 1 UStG also länger als die tatsächliche Verwendungsdauer des Wirtschaftsgutes, muss der Unternehmer bei der Berechnung des Berichtigungsbetrages von einer niedrigen Gesamtzeitdauer ausgehen.
In unserem Fall kauft der Unternehmer am 01.01.2023 einen Baukran für EUR 200.000, zuzüglich EUR 38.000 Umsatzsteuer. Diesen möchte er zur Ausführung von Bauleistungen, also voll vorsteuerabzugsberechtigend, verwenden. Am 01.01.2025 entscheidet er sich, den Kran ab sofort auch zur Hälfte zur Ausführung von Leistungen im Sinne des § 4 Nummer 9a UStG zu nutzen. Da er diese Leistungen an Privatpersonen erbringt, scheidet eine Option nach § 9 Absatz 1 und 2 UStG aus. Am 01.01.2027 verkauft der Unternehmer den Kran.
Grundsätzlich dauert der Berichtigungszeitraum fünf Jahre (§ 15a Absatz 1 Satz 1 UStG). Er beginnt am 01.01.2023 und endet am 01.01.2028. Da der Unternehmer den Kran aber bereits am 01.01.2027 verkauft, ist der Berichtigungszeitraum im vorliegenden Fall auf vier Jahre zu verkürzen. Die Lösung sieht wie folgt aus:
- Im Zeitraum 01.01.2023 bis 31.12.2024 (zwei Jahre) nutzt der Unternehmer den Kran wie anfänglich geplant. Hier ist keine Vorsteuerkorrektur erforderlich
- Zwischen dem 01.01.2025 und dem 01.01.2027 wird der Kran nur noch zu 50 % vorsteuerabzugsberechtigend verwendet
Es ergibt sich daher nach den Grundsätzen des § 15a Absatz 1 und 5 Satz 2 UStG ein Berichtigungsbetrag von EUR 9.500 (EUR 38.000 / 4 Jahre x 2 Jahre x 50 %). Die Vorsteuerkorrektur ist für den Voranmeldungszeitraums des Verkaufs, hier also im Januar 2027, vorzunehmen (§ 44 Absatz 3 Satz 2 UStDV).
4. Möglichkeiten der Vermeidung einer Vorsteuerkorrektur
Eine Vorsteuerkorrektur nach § 15a UStG wirkt sich in der Regel nachteilig für den leistenden Unternehmer aus, da er bereits bezogene Vorsteuerbeträge teilweise an das Finanzamt zurückzahlen muss. Eine gängige Möglichkeit der Vermeidung ist daher, den entsprechenden Berichtigungszeitraum abzuwarten und erst im Anschluss eine Änderung der Verhältnisse zu bewirken.
Alternativ kommt ein voll umsatzsteuerpflichtiger Verkauf des Wirtschaftsgutes, etwa durch Ausübung der Option nach § 9 UStG bei Immobilien, infrage. Ist bis zum Verkauf keine Änderung der Verhältnisse eingetreten, findet keine Vorsteuerkorrektur statt. Der Kaufpreis muss zur Nutzung steuerlicher Vorteile allerdings unter den damaligen Anschaffungs- oder Herstellungskosten des Wirtschaftsgutes liegen, etwa durch eine Veräußerung oder Übertragung im Familienverbund.
In der mittlerweile vom BFH steuerlich anerkannten PKW-Vermietung zwischen Ehegatten erfolgt die Vermeidung der Vorsteuerkorrektur dadurch, dass der Vermieter-Ehegatte das Fahrzeug zunächst unter Verzicht auf die Kleinunternehmerregelung (§ 19 Absatz 2 UStG) kauft. Nach Ablauf des Berichtigungszeitraums von fünf Jahren wechselt er zur vollumfänglichen Anwendung der Vorschrift. Dadurch ist ein steuerfreier Verkauf des Fahrzeugs, für das bei Anschaffung der volle Vorsteuerabzug genutzt wurde, möglich. Die Rechtsfolgen des § 15a Absatz 7 UStG wurden vermieden.
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