Dr. Oetker kauft das Startup flaschenpost SE für EUR 1 Mrd.
Dieter Büchl gründete das deutsche Startup flaschenpost als GmbH, führte es durch Aufnahme mehrerer Investoren und Umwandlungen zunächst über eine Aktiengesellschaft zu einer SE und nun verkaufte er es für EUR 1 Mrd. an die Dr. Oetker-Gruppe. Anhand der im Laufe der Jahre veröffentlichten Bilanzen zeichnen wir den Weg, den Dieter Büchl für sein Unternehmen wählte, nach. So wollen wir rekonstruieren, wie viel Investitionen in die Expansion von flaschenpost geflossen sind und wie dadurch der aktuelle Verkaufspreis von EUR 1 Milliarde zustande gekommen ist, obwohl das Unternehmen in der Vergangenheit Verluste schrieb. Außerdem skizieren wir die steuerlichen Folgen des Verkaufs, die Dieter Büchl zu erwarten hat, wenn er die verkauften Anteile an der flaschenpost SE entweder in seinem Privatvermögen hielt oder aber, falls er eine Holding hierfür nutzte.
Unsere Kanzlei hat sich besonders auf die Veröffentlichung von Blogbeiträgen spezialisiert, bei denen wir Beurteilungen von aktuellen Transaktionen mit steuerlichem Bezug offerieren. Aufgrund der aktuellen Relevanz haben wir mehrere Beiträge zu diesem Thema publiziert:
Datum |
Thema |
07. Oktober 2020 |
Axel Springer-Aktien: steuerfreie Schenkung im Wert von 1 Mrd. EUR |
03. November 2020 |
Dr. Oetker kauft das Startup flaschenpost SE für EUR 1 Mrd. (dieser Beitrag) |
Flaschenpost an Dr. Oetker-Konzern verkauft
In diesem Video erklären wir, wie das Startup zu einer SE wuchs und wie die optimale Besteuerung des Gewinns aus dem Verkauf aussehen könnte.
1. Liebling der Gründerszene – das deutsche Startup flaschenpost
Der Unternehmer Dieter Büchl gründete 2012 mit einem Stammkapital von EUR 100.000 die flaschenpost GmbH. In den darauffolgenden Jahren wuchs und expandierte sein Unternehmen, das die kurzfristige Lieferung von Getränken zu ihrem Kerngeschäft zählt. Früher galt es einen Lieferzeitpunkt innerhalb von 90 Minuten nach Eingang des Auftrags einzuhalten. Mittlerweile führte der immense Erfolg des Konzepts dazu, dass eine rechtzeitige Lieferung auch innerhalb von 120 Minuten als erfolgt gilt. Gerade in Zeiten der Corona-Pandemie – insbesondere im Lock down-Zustand – ist diese Geschäftsidee durchaus lukrativ. Denn es befreit die Kunden davon die Getränke selbst zu besorgen, stellt gleichzeitig aber auch sicher, dass man die Lieferung in möglichst kurzer Zeit erhält.
2. Erhöhung des Stammkapitals der flaschenpost GmbH
2.1. Stammkapitalerhöhung und Einzahlung in die Kapitalrücklage als Investition in die flaschenpost GmbH
2018 fand eine Erhöhung des Stammkapitals um EUR 216.000 statt. Diese Erhöhung des Stammkapitals erfolgte durch mindestens einen Investor. Dabei erfolgte die Investition über ein Agio, also ein Aufgeld, dass zusätzlich in die Kapitalrücklage des Unternehmens floss. Denn schließlich sollte die Investition dem Unternehmen dienen. Gleichzeitig wollte aber auch Dieter Büchl davon profitieren. Hätte er einfach einen Anteil seines Unternehmens an den Investor verkauft, hätte nur er einen Vorteil davon gehabt. Dagegen hätte das Unternehmen jedoch keinen direkten finanziellen Vorteil erhalten. So profitiert das Unternehmen, weil es nun über mehr Geld zur weiteren Expansion verfügt, zugleich profitiert aber auch Dieter Büchl, weil die Anteile, die er am Unternehmen hält, nun deutlich mehr Wert sind.
2.2. Verwässerung der Beteiligung Dieter Büchls an der flaschenpost GmbH
Allerdings bedeutet diese Form der Investition auch, dass Dieter Büchl nun weniger als die ursprünglichen 100 % an der flaschenpost GmbH hält. Im Konkreten Fall kam es durch diese Verwässerung zu einer Reduktion der Beteiligung Dieter Büchls auf 31,6 % der Anteile. Daher ist die Höhe der Investition über die Kapitalrücklage rekonstruierbar. Denn um die übrigen Anteile übernehmen zu können, musste der Investor rund EUR 1.000.000 in die Kapitalrücklage einzahlen. Die Berechnung dazu sieht wie folgt aus:
Stammkapital EUR 100.000 + Erhöhung des Stammkapitals EUR 216.000 = EUR 316.000 neues Stammkapital
Einzahlung in die Kapitalrücklage EUR 1.000.000
Stammkapital EUR 316.000 x 100 / Kapitalrücklage EUR 1.000.000 = 31,6 % Beteiligung von Dieter Büchl
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3. Umwandlung der flaschenpost GmbH in eine AG
Nun erfolgte 2018 auch eine weitere Veränderung bei der flaschenpost GmbH. Denn durch einen Formwechsel entstand jetzt aus der GmbH die flaschenpost AG. Mit diesem Schritt bereitete Dieter Büchl sein Unternehmen auf die Zukunft vor.
4. Umwandlung der flaschenpost AG in eine SE
Und zwar war der nächste Schritt bei der Gestaltung der flaschenpost AG die im Januar 2019 erfolgte grenzüberschreitende Verschmelzung zur flaschenpost SE. Dabei fusionierte die deutsche flaschenpost AG mit der österreichischen flaschenpost altera AG, sodass daraus die deutsche flaschenpost SE mit Sitz in Münster hervorging.
Hierbei standen weder steuerrechtliche noch gesellschaftsrechtliche Vorteile im Vordergrund. Denn für eine SE, also eine Europäische Aktiengesellschaft, gilt das nationale Steuer- und Gesellschaftsrecht desjenigen Landes, in dem die Gesellschaft ihren Sitz hat. Allerdings gibt es bei der Mitbestimmung durch die Beschäftigten Unterschiede zur deutschen AG, weil ein paritätisch besetzter Aufsichtsrat bei einer SE ausgeschlossen ist.
5. Weitere Erhöhung des Stammkapitals und der Kapitalrücklage der flaschenpost SE
5.1. Erhöhung des Stammkapitals
Mit einer weiteren Erhöhung des Stammkapitals auf EUR 382.000 ging auch eine Erhöhung der Kapitalrücklage einher. Hierbei weist die Bilanz für 2018 eine Kapitalrücklage von rund EUR 43.000.000 aus. Gleichzeitig stieg aber auch das Aktivvermögen der flaschenpost SE. Einerseits spiegelt dies die mit diesen Mitteln getätigten Investitionen in Anlagegüter und Umlaufvermögen wie den Warenbestand wider, andererseits aber auch die Bankbestände sowie die offenen Forderungen, die in diesem Fall mit etwa EUR 16.000.000 recht hoch ausfallen.
5.2. Das Verhältnis der Investitionen zu den Verlusten der flaschenpost SE
Nun geht aus den Bilanzen hervor, dass das Unternehmen im Laufe der Jahre Verluste in Höhe von etwa EUR 30.000.000 verbuchte und vortrug. Jedoch gehen diese Verluste auf die Nutzung der Investitionsmittel zurück, die durch die Investoren in das Unternehmen gelangten und dort in die weitere Expansion flossen. Aus diesem Grund sollte man bei der Bewertung des Erfolgs der flaschenpost SE weniger auf die Verluste achten, sondern vielmehr den Blick auf den stark ansteigenden Umsatz richten. Immerhin weist die Bilanz der flaschenpost SE zum 31.12.2018 einen beträchtlichen Bestand bei Bank und Forderungen aus. Darüber hinaus ist der Erfolg des Unternehmens auch am gestiegenen Wert der SE ablesbar.
5.3. Die Höhe der Beteiligung Dieter Büchls vor dem Exit
Weitere Stammkapitalerhöhungen durch Investoren führten letztlich zu einem Anstieg des Stammkapitals auf etwa EUR 604.000. Dadurch fand auch eine Veränderung der Beteiligung Dieter Büchls an der flaschenpost SE statt, denn nun lag sie bei 16,55 %.
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6. Verkauf der flaschenpost SE an den Dr. Oetker Lebensmittelkonzern
Der letztgenannte Punkt ist in sofern interessant, weil wir über die prozentuale Höhe der Beteiligung Dieter Büchls an der flaschenpost SE den Anteil berechnen können, den er vom Kaufpreis von EUR 1 Milliarde erhält. Somit kommen wir auf einen stolzen Betrag von EUR 165.500.000. Stolz ist dieser Betrag auch deshalb, weil die Gründung des Unternehmens ja nur wenige Jahre zurückliegt und gerade mal für EUR 100.000 erfolgte.
Allerdings muss man dabei berücksichtigen, dass die Dr. Oetker-Gruppe mit Gründung des Unternehmens Durstexpress ebenfalls versuchte einen direkten Konkurrenten zur flaschenpost aufzustellen. Tatsächlich kann man davon ausgehen, dass man die Vorteile des Geschäftskonzepts der flaschenpost sowie den darauf basierenden Erfolg als Vorlage zur Umsetzung eines eigenen Getränkevertriebs verwendete. Letztendlich mag es wohl einfacher erschienen sein, die flaschenpost SE zu übernehmen, als einen nur wenig erfolgversprechenden Konkurrenzkampf mit ihr auszufechten. Deshalb war man wohl auch zur Zahlung dieser stolzen Summe bereit.
7. Besteuerung des Gewinns aus dem Verkauf an die Dr. Oetker-Gruppe
Werfen wir noch einen Blick auf die Besteuerung des Dieter Büchl zustehenden Gewinns. Hierbei sind wir weitestgehend auf Spekulationen angewiesen. Zwar können wir diese mit guten steuerlichen Argumenten untermauern, doch bevorzugen wir hierbei einen vergleichenden Ansatz, der die Plausibilität unserer Annahmen ebenfalls stützt.
7.1. Annahme einer Besteuerung auf privater Ebene
So wollen wir zunächst untersuchen, wieviel Steuern Dieter Büchl zahlen müsste, wenn er seine Beteiligung an der flaschenpost SE im Privatvermögen gehalten hätte. Dann wäre das Teileinkünfteverfahren zur Anwendung gekommen. Hierbei gelten 40 % der Einkünfte als steuerfrei, während die übrigen 60 % der Besteuerung unterliegen. Wenn wir also eine Besteuerung von 60 % des Gewinns vornehmen, müssen wir zunächst das von Dieter Büchl ursprünglich eingezahlte Stammkapital von EUR 100.000 vom Gewinn subtrahieren, denn dieses Stammkapital gilt als Anschaffungskosten. Also verbleiben EUR 165.400.000, die wir nun der Besteuerung im Teileinkünfteverfahren zuführen:
Veräußerungsgewinn EUR 165.400.000 x 60 % = EUR 99.240.000 zu versteuernder Gewinnanteil
EUR 99.240.000 x 45 % Spitzensteuersatz = EUR 44.658.000 Einkommensteuer
Dabei beträgt die berechnete Steuersumme 27 % des Veräußerungsgewinns.
7.2. Annahme einer Besteuerung über eine zwischengeschaltete Holding
7.2.1. Berechnung der Körperschaftsteuer der Holding
Bei der zweiten Annahme gehen wir davon aus, dass Dieter Büchl seine Anteile an der flaschenpost SE statt privat in einer Holding hielt. Die Holding hat dabei den steuerliche Vorteil, dass sie die Gewinne, die ihr aus dem Verkauf einer sie haltenden Kapitalgesellschaft nur mit 1,5 % zu versteuern braucht. Schon anhand dieser einfachen Aussage zur Besteuerung einer Holding ist ersichtlich, dass der Steuervorteil hierbei eindeutig auf Seite der Holding liegt (1,5 % vs. 27 % beim Teileinkünfteverfahren). Dennoch wollen wir dies auch in Zahlen belegen:
EUR 165.400.000 x 1,5 % = EUR 2.481.000 Körperschaftsteuer der Holding
7.2.2. Berechnung der Kapitalertragsteuer bei Ausschüttung des Gewinns an Dieter Büchl
Dabei wollen wir jedoch auch erinnern, dass der nach Zahlung der Körperschaftsteuer in der Holding verbleibende Betrag potentiell an den Anteilseigner der postulierten Holding, Dieter Büchl, ausgeschüttet werden kann. Allerdings kommt es in einem solchen Fall zu einer erneuten Besteuerung und zwar Ebene des Gesellschafters. Dazu berechnen wir die dabei anfallende Kapitalertragsteuer folgendermaßen:
EUR 165.400.000 – EUR 2.481.000 = EUR 162.919.000 ausgeschütteter Gewinn nach Steuern
EUR 162.919.000 x 25 % = EUR 40.729.750 Kapitalertragsteuer
Kapitalertragsteuer EUR 40.729.750 + Körperschaftsteuer EUR 2.481.000 = EUR 43.210.750 Steuern insgesamt
Wie man aus dem Vergleich zur Einkommensteuer Dieter Büchls bei Anwendung des Teileinkünfteverfahrens erkennen kann, verbleibt nur ein geringer Vorteil, wenn die Holding den gesamten Betrag an ihren Gesellschafter ausschüttet. Daher gehen wir davon aus, dass keine größere Ausschüttung von Seiten der Holding erfolgt, sondern, dass der Gewinn für zukünftige Investitionen vorgesehen ist. Jedenfalls können wir, nach dem großen Erfolg der flaschenpost, auf den nächsten großen Coup von Dieter Büchl gespannt sein.
Steuerberater für Kapitalgesellschaften
Unsere Kanzlei hat sich besonders auf die steuerrechtliche Gestaltungsberatung für Kapitalgesellschaften spezialisiert. Beim Verkauf einer Kapitalgesdellschaft schätzen Mandanten unser Know-how beispielsweise in folgenden Bereichen:
GmbH
- Allgemeine Beratung zu GmbH-Besteuerung (Gründung, Vermeidung von Betriebsaufspaltungen, Steuerreduktion bei Gewinnausschüttungen, Nutzung von Verlustvorträgen)
- Individueller Rechtsformvergleich zwischen GmbH und GmbH & Co. KG
- Optimale Besteuerung der GmbH
- Steueroptimierung bei Gewinnausschüttungen (Kapitalertragsteuer und Teileinkünfteverfahren)
- Steuervorteile der Immobilien-GmbH
- Vermeidung von Betriebsaufspaltungen
- Strategische Beratung bei Kapitalgesellschaften (Erwerb eigener Anteile, disquotale Gewinnausschüttung, Organschaft, Holdingstrukturen etc.)
Umwandlungen
- Beratung zu sämtlichen Umwandlungsvorgängen (Einbringung, Verschmelzung, Formwechsel, Anteilstausch)
Unternehmenskauf & Unternehmensverkauf
- Beratung beim Unternehmenskauf (Verkauf GmbH, Verkauf GmbH & Co. KG, Nutzung von Verlustvorträgen)
- Beratung beim Unternehmensverkauf (Vorteile bei Share Deal & Asset Deal)
Hierzu stehen Ihnen unsere Steuerberater und Rechtsanwälte an den Standorten Köln und Bonn gerne für eine persönliche Beratung zur Verfügung. Zudem beraten wir deutschlandweit per Telefon und Videokonferenz:
Lehrauftrag für Steuerrecht
Unsere besonderen Expertisen für Steuergestaltung im Unternehmensteuerrecht werden auch durch die FOM Hochschule bestätigt. Steuerberater Christoph Juhn wurde dort zum Lehrbeauftragten für Steuerrecht berufen und lehrt seit dem Wintersemester 2013 die Veranstaltung „Steuergestaltung (3) Unternehmenskauf und -verkauf“. Das vorlesungsbegleitende Skript stellen wir Ihnen hier gerne vorab als Information zum kostenlosen Download zur Verfügung:
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